Über die Freiheit in der Krise (Text als PDF)
Die aktuelle Corona-Pandemie stellt nicht nur viele Gewissheiten unseres Zusammenlebens in Frage, sie rüttelt, durch die zu ihrer Eindämmung getroffenen Maßnahmen, auch an den normativen Grundlagen unserer Gesellschaftsordnung. Während dieser Tage verstärkt auch kontrovers über die Fortgeltung von Einschränkungen, Lockerungen und Stufenpläne diskutiert wird, offenbart sich mit einem kurzen Blick zurück, in welcher noch nie dagewesenen Schnelligkeit und mit welcher in der Bundesrepublik noch nie dagewesenen Absolutheit zur Bekämpfung der Pandemie die Freiheitsrechte aller Menschen in Deutschland eingeschränkt wurden – unabhängig ihres Wohnortes, ihrer persönlichen Situation oder ihres individuellen Infektionsrisikos.
Mit Kontaktbeschränkungen, Betretungsverboten, Betriebsuntersagungen und Ausgangsbeschränkungen wurde faktisch zum letzten im demokratischen Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mittel gegriffen, um das Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern zur Bekämpfung der Pandemie einzuhegen. Eine derartige Suspendierung elementarer Freiheitsrechte hatte wohl noch vor wenigen Wochen kaum jemand für denkbar gehalten. Absolute Versammlungsverbote, umfassende Besuchsverbote bei Freunden und Verwandten und sogar (mehr oder minder löchrige) Ausgangsbeschränkungen sowie eine Vielzahl weiterer schwerer Grundrechtseingriffe waren zweifelsohne die ultima ratio gegen eine nicht unmittelbar beherrschbare und in ihrer Entwicklung nur bedingt greifbare Ausnahmelage. Je weiter diese Ausnahmesituation jedoch andauert und zunehmend Teil eines sich verändernden Alltags wird, umso mehr stellen sich mit jeden weiteren Tag der Einschränkung zunehmend Fragen nach den gesellschaftlichen Folgen und notwendigen gesellschaftlichen Entwicklungen nach der Bewältigung dieser Krise. Dies gilt vor allem in Bezug auf die Wahrung von Freiheitsrechten.