NRW – Was bleibt?

Die vergangene Wahl in Nordrhein-Westfalen ist wahrscheinlich die schwerste Wahlniederlage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der aktuellen Dekade. Wir haben nicht nur die Regierungsverantwortung verloren und unserer prozentuales Ergebnis nahezu halbiert, sondern wir haben auch kurz vor dem Beginn des Bundestagswahlkampfes eine herbe Klatsche einstecken müssen. Gerade deshalb lohnt ein Blick auf mögliche Ursachen, unübersehbare Erkenntnisse und mögliche Konsequenzen, die zu ziehen sind. Ein einfaches „abhaken und weitermachen“ ist genauso falsch, wie der Versuch, die Schuldfrage einzig und allein in Richtung NRW abzuschieben oder aber übereilte Kurskorrekturen einzufordern. Klar ist: Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden im Wahljahr 2017 die Bäume voraussichtlich nicht mehr in den Himmel wachsen – der Weg zur Bundestagswahl ist aber noch lang.

Die folgenden Überlegungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie sind, wie nach dem aktuellen Aufarbeitungsstand gar nicht anders möglich, mehr Schlaglichter als eine – zwingend notwendige – tiefgehende Analyse.

 

Zwei Blicke zurück

Wahlniederlagen haben nicht selten einen mehr oder minder großen Teil ihrer Ursache in der mangelnden Aufarbeitung vorangegangener Wahlen und zwar unabhängig von der Frage, ob sie schlussendlich positiv oder negativ aus Sicht der jeweiligen Protagonisten ausgegangen sind.

 

Das Wahljahr 2013 ist bis heute nicht wirklich aufgearbeitet

Die Analyse der Wahlniederlage zur Bundestagswahl 2013 wurde faktisch erfolgreich in monokausaler Theorembildung ertränkt. Die Ursachen der Misere waren schnell (und keineswegs vollständig falsch) ausgemacht: Die GRÜNEN galten zu sehr als Verbotspartei und waren somit angreifbar im Wahlkampf gewesen. Dazu kam noch die hochgradig erklärungsbedürftige Steuerpolitik, mit der wir im Wahlkampf versuchten zu punkten.

In einer Übersprunghandlung wurde versucht sämtliche GRÜNE Politik als Freiheitssicherung zu verkaufen (mit teils grotesken Umdeutungen von tiefgreifenden Verboten zu einem Instrument der Freiheit). Viel geblieben ist von der Debatte allerding nicht: Wenige Monate nach der Bundestagswahl war das Thema durchdiskutiert, erfolgreich jede Verbotsbestrebung marketingmäßig umetikettiert und keine substanziellen Folgen der Debatte waren mehr spürbar. Es wurde damit eine Chance verpasst, sich übergrundsätzliche und wahrnehmbare Linien der Partei zu verständigen – ein Versäumnis, welches und zunehmend auf die Füße fällt. Die Art und Weise, wie die Freiheitsdebatte geführt wurde ist hierbei allerdings nur ein Beispiel für unsere begrenzte Fähigkeit klare Linien zu entwickeln.

Wir haben uns als Partei häufig in Formelkompromissen und Schwammigkeit ergeben. Dies wirkt sich nicht nur in einer Konturlosigkeit auf Bundesebene aus, sondern leistet vor allem der mangelnden Kohärenz im Zusammenspiel mit den zumeist regierenden Ländern Vorschub. Die GRÜNEN werden in der Folge als uneinig und zu wenig geschlossen wahrgenommen. Ein Problem, was sicherlich auch für die Bundestagswahl prägend sein wird, aber auch für die Länder zum Malus werden kann. Wenn es keine bundesweit wahrnehmbare Klammer gibt, wenn jedes GRÜN-regierte Land macht, was es – teils zu Recht – für richtig hält und sich dies dann teilweise nicht in eine Gesamterzählung GRÜNER Politik einbetten lässt, so können auch keine Trends nivelliert oder bestärkt werden und man ist zum guten und wahrnehmbar erfolgreichen Regieren in den Ländern verdammt. Diese Problemlage hat sich nun in Nordrhein-Westfalen deutlich gezeigt.

 

Fehlende Demut gegenüber unseren Wahlergebnissen

Man hatte seit 2011 das Gefühl, es könne für GRÜNE nur noch aufwärtsgehen, zumindest aber auf konstantem Niveau nach vorne. Es offenbart sich ein strategisches Problem. Die Ursachen GRÜNER Wahlerfolge wurden weit weniger intensiv analysiert als die von Misserfolgen. Es wurde viel zu häufig die Augen davor verschlossen, dass wir unsere Stärke neben großen Themenkonjunkturen und charismatischem Spitzenpersonal vor allem der Schwäche anderer verdankten, von einigen einzelnen Ausnahmen abgesehen.

Diese mangelnde Demut machte blind dafür, dass insbesondere eine wieder erstarkende SPD für uns in den Ländern zum Problem werden könnte. Paradoxerweise reicht dafür, ähnlich wie schon im letzten Jahr in Rheinland-Pfalz der Glaube der Wählerinnen und Wähler aus, die SPD könnte die Macht verlieren, um bei der Wahlentscheidung wieder umzuswitchen und sich von uns zu entfernen. Wir haben uns zu wenig die Frage gestellt, welche Angebote wir diesen WechselwählerInnen gemacht haben, um sie tatsächlich von GRÜNER Politik zu überzeugen und sie an uns zu binden. Natürlich ist dies in einem immer volatileren Parteiengefüge keineswegs einfach, allerding ist es die schlichte Notwendigkeit, wenn man nicht nur in Phasen der Schwäche des politischen Gegners profitieren will. Wenn wir dies nicht stärker beherzigen und nach einem Stil der Ansprache und der Kommunikation suchen, die eine Bindung von Wählerinnen und Wählern, die wir aufgrund der Enttäuschung über andere erhalten haben, wird die vergangene Landtageswahl nicht die letzte Niederlage gewesen sein.

 

Erkenntnisse aus dem Wahlergebnis

Im Folgenden sind ein paar Erkenntnisse und Feststellungen angerissen, die sich aus dem Wahlergebnis in Nordrhein-Westfalen ableiten lassen.

 

Unzufriedenheit mit der Regierung

Medial ist es bereits umfassend rezipiert worden, die Zahlen zeigen es aber mehr als deutlich. Die Wahl war eine Abstrafung der amtierenden Regierung. Innerhalb der GRÜNEN-Wählerschaft war dieser Effekt noch einmal wesentlich ausgeprägter als bei den Wählerinnen und Wählern, die zuletzt SPD wählten. Selbst für die notorisch kritischen GRÜNEN-WählerInnen sind Zustimmungswerte von lediglich 25 % für eine Regierungsbeteiligung ziemlich vernichtend.

Die identifizierte Unzufriedenheit mit der Bildungspolitik als Hauptgrund für die Abstrafung der Landesregierung zeigt sich dabei auch mit Blick auf den dramatischen Einbruch unserer Zustimmungswerte im Bereich der 35-44-Jährigen (potenziell Eltern mit schulpflichtigen Kindern). Ebenso wird deutlich: bei jenen Personen, die uns noch gewählt haben, ist das Thema Bildungspolitik weit weniger entscheidungsrelevant als bei den anderen Parteien – dies lässt die Vermutung zu, dass die Menschen, denen das Bildungsthema tatsächlich wichtig war und die einst GRÜN gewählt hatten, nun zu einer anderen Partei tendierten (Diametral dazu zeigt sich hingegen die Relevanzeinschätzung zur Bildungspolitik bei den Wählerinnen und Wählern der FDP).

Zu den bitteren Wahrheiten gehört offenbar, dass die Bildungspolitik für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in einer Regierungsverantwortung nicht zwingend ein Gewinnerthema zumindest aber kein Selbstläufer sein muss, wie auch schon die Bildungsreform in Hamburg gezeigt hat. Die Wahrnehmung von Erfolgen hängt von sehr vielen Faktoren ab, die Zahl der Fallstricke in diesem Bereich ist insbesondere aufgrund der Vielfalt der Problemlagen hoch.

Gleichzeitig gibt es in der Bildungspolitik eine hohe emotionale Betroffenheit der Wählerinnen und Wähler, weshalb Probleme in diesem Themenfeld häufig als Grundlage für die Wahlentscheidung herangezogen werden. Zudem gilt, ähnlich, wie bei allen großen Reformprojekten: Wenn man sich als GRÜNE für eine grundliegen Reform der Bildungspolitik entscheidet und dafür mit einem Ressort die Zuständigkeit übernimmt, muss man sich im Klaren sein, dass dies kaum bis zur nächsten Wahl erfolgreich und wahrnehmbar umgesetzt sein wird.

 

Starker Einbruch bei JungwählerInnen

Beim Blick auf das Wahlverhalten nach Altersgruppen zeigt sich ein anderes erhebliches Problem für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Unsere vermeintlich „sichere Bank“ ist keine mehr – die Jung- und ErstwählerInnen haben uns ebenfalls nicht in dem Maße gewählt, wie bisher anzunehmen war – es gab einen starken Einbruch der Zustimmungswerte. Dass auch noch die FDP in dieser Generation vor uns liegt, zeigt, dass wir hier wohl ein ernsthafteres Defizit haben. Neben des unmittelbaren Erfahrungshorizontes aus der Schule selbst dürfte hier vor allem der Mangel an charismatischem Spitzenpersonal oder zielgruppenspezifischen Schwerpunktthemen das entscheidende Problem sein. Dies wiegt umso schwerer, als dass wir in NRW bereits 2012 Probleme in dieser Zielgruppe hatten. Glaubt man den Wählerwanderungsstatistiken von damals hatten wir 80.000 Stimmen an die Piraten verloren, die wir nun überhaupt nicht zurückgewannen, obwohl die Piratenpartei nunmehr in der politischen Bedeutungslosigkeit verschwunden ist.

Offenbar gelingt es uns derzeit weder Themen anzusprechen, die für eine junge Wählerschicht wahlentscheidend sind, noch ein für diese wählbares Spitzenpersonal aufzubieten. Das Thema Digitalisierung zum Beispiel – für junge Wählerinnen und Wähler ein entscheidendes Thema – haben wir leider weitgehend an die FDP verloren. Mit aufgesetzten ErstwählerInnen-Kampagnen allein werden wir nicht weit kommen, wenn uns das Gefühl für die wahlentscheidenden Themen verloren geht. Hier braucht es eine tiefere Analyse mit Blick auf die kommende Bundestagswahl.

 

„Rot-Grün erhalten“ ist kein Mobilisierungsprojekt

In einem Punkt zeigt das Wahlergebnis in NRW erstaunliche Parallelen zu einer kürzlich zurückliegenden Landtagswahl, jener in Rheinland-Pfalz im letzten Jahr: Der Versuch eine Rot-Grüne Koalition selbst im heißen Wahlkampf nicht nur als eine gute Umsetzungsoption für GRÜNE Politik darzustellen und für eine weitere Durchsetzung mit einem starken eigenen Ergebnis zu kämpfen sondern als ein gemeinsames unitäres Projekt, fast schon als unzertrennliche Einheit darzustellen, das nur so und nicht anders verteidigt werden kann und muss, ist erneut gescheitert. Diese spezifische Form des Lager-Wahlkampfes kann nicht gelingen, wenn unser bisheriges Ergebnis offenbar auf einer nicht unerheblichen Zahl von WechselwählerInnen zwischen beiden Partner basiert und die SPD in der Öffentlichkeit glaubhaft vermitteln kann, dass es für sie um alles geht.

Eine solche Strategie führt am Ende nur dazu, dass jene, die unentschlossen sind, schlussendlich zu jenem der beiden Partner tendieren, der es aus strategischer Sicht nötiger hat (an den summierten Zustimmungswerten für die Koalition ändert sich schließlich nichts). Das war in Rheinland-Pfalz markant aufgrund des medial kolportierten engen Zweikampf zwischen Dreyer und Klöckner und zeigt sich nun Nordrhein-Westfalen beim Kampf um die dortige Spitzenposition.

Die grotestke und hoffentlich nie wirklich ernst gemeinte Plakatidee, welche offenbar für die Zweitstimmenkampagne getestet wurde („1. SPD 2. GRÜNE wählen“) war Sinnbild einer vollkommen falsch verstandenen „Eigenständigkeit“. Die teilweise zu verzeichnende koalitionäre Vasallentreue der GRÜNEN zur SPD hat sich nicht ausgezahlt, sondern wurde am Ende teuer im deutlichen Verlust an WählerInnenstimmen bezahlt.

 

Das Abarbeiten an der FDP ist nicht hilfreich

Eine weitere Frage, die sich mit Blick auf das Ergebnis und den Wahlkampf in NRW stellt, ist die Frage, ob es sich lohnt mit viel Kraft an einem politischen Gegner abzuarbeiten. Gemeint ist nicht die AfD – hier muss den BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in NRW zu Gute gehalten werden, dass sie viele diese Partei aufwertende Fehler aus den Landtagswahlkämpfen der vergangenen beiden Jahre nicht gemacht haben. Es geht vielmehr um den Umgang mit dem GRÜNEN Lieblingsgegner FDP.

Wenn eine schon angeschlagene Landesregierung in eine permanente Konfrontation gegen eine Oppositionspartei geht, führt dies zum einem zu einer unnötigen Aufwertung, die bei den Wählerinnen und Wählern den Anschein erweckt, dass an den permanenten Vorwürfen vielleicht doch etwas dran ist und trägt zum anderen eben nicht unbedingt zur Verdeutlichung unserer Positionen bei, die man immer nur mit der Gegnerschaft eines anderen zu legitimieren versucht. Es ist vielmehr notwendig für unsere Positionen leidenschaftlich und positiv einzutreten anstatt zu glauben, dass alleine die Abgrenzung zu anderen Klarheit über unsere Verortung schaffen würde.

 

Banalisierung in Zeiten der Polarisierung führt zum Bedeutungsverlust

Kampagnen sind selten alleine schuld an Wahlausgängen, sie haben aber einen mehr oder minder großen Anteil daran. Sie bieten die Chance ein Bewusstsein für Themen zu setzen und Emotionen zu wecken. Mit Blick auf die GRÜNE-Kampagne und die Schwerpunkthemen, die gewählt wurden, muss man sich die Frage stellen, was uns der Künstler damit sagen wollte oder vielmehr welches Gefühl eigentlich vermittelt werden sollte.

Eine Kampagne, deren Funktion und Claim erläutert werden muss, wie es auf der Website der GRÜNEN in NRW passierte, erfüllt eine ihrer wesentlichen Funktion nicht: einfach und klar zu sein. Während die Struktur mit „1. und 2.“ noch in der Rubrik „gewöhnungsbedürftig“ zu verbuchen ist, bleibt die Frage hängen, ob die für uns wahlentscheidenden Themen tatsächlich so adressiert wurden, dass sie bei den potenziellen Wählerinnen und Wählern ankamen. Mit Blick auf die Kompetenzzuschreibungen, bei denen wir sogar im Bereich Umweltpolitik eingebüßt haben, muss diese Frage verneint werden. Schöne Kampagnen bringen nichts, wenn sie keine klare und vor allem glaubwürdige Botschaft vermitteln. Diesen Anspruch konnte die Kampagne in NRW leider nicht erfüllen, sie blieb daher vor allem zu banal um eine wahlentscheidende Wirkung zu entfalten.

 

 

Überlegungen hinsichtlich der Folgen für die Bundestagswahl

Aus der Wahlniederlage in NRW kann nicht allzu viel für die Bundestagswahl abgeleitet werden, außer, dass es derzeit alles andere als gut aussieht. Die landespolitischen Ursachen sind zu groß um das Ergebnis und die Befunde zu verallgemeinern. Allerdings lohnen auch hier ein paar grundsätzliche Betrachtungen.

 

Ökologie bleibt das zentrale Kernthema

Das Thema Ökologie ist und bleibt das Thema mit den höchsten Glaubwürdigkeitszuschreibungen für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN. Auch wenn es ein deutlicher Malus ist, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung augenscheinlich jenseits dieses Kernthemas nicht weiß, wofür die GRÜNEN stehen, zeigt dies, dass uns dieses Thema kaum genommen werden kann. Uns muss es stärker gelingen als bisher, das Thema offensiv ins öffentliche Bewusstsein zu rücken. Neben dem Klimawandel und dem Braunkohleausstieg ist gerade die Thematisierung der Folgen der industriellen Landwirtschaft geeignet für eine motivierende Ansprache der Wählerinnen und Wählern. Allerdings muss dies durch eine positive Form der Ansprache geschehen, die unsere grundsätzlichen Ziele und weniger die kleinteiligen Schritte dahin in den Vordergrund stellt und dabei weniger verbissen in der Kommunikation ist als bisher.

 

Freiheit und Bürgerrechte werden immer stärker zum Alleinstellungsmerkmal

Das Thema Sicherheit wird den Bundestagswahlkampf mit prägen – darin besteht traute Einigkeit unter nahezu allen Akteuren. Viel wird dabei davon abhängen, wie wir uns als GRÜNE positionieren: Als die letzte Kraft, die die Freiheit des Individuums vor der Omnipotenz des Obrigkeitsstaates schützen will oder als ein weiterer Akteur im Reigen der Vielen, die in das Horn der Grundrechtseinschränkungen zu Gunsten von vermeintlich mehr Sicherheit blasen. Die Chance ist groß, sich hier alleinstellend durch ersteres zu profilieren. Die CDU ist auf „Law and Order“-Kurs, die LINKE entzieht sich vielfach Problemlösungsansätzen und die SPD hat spätestens mit der Ankündigung einer „Null-Toleranz-Politik“ das Feld ebenso geräumt. Die FDP hat bei diesem Thema ebenso faktisch schon länger abgewirtschaftet, auch wenn sie noch ein anderer Nimbus umgibt. Unsere Chance ist gerade hier mit Klarheit und Deutlichkeit gewinnen zu können, nicht mit Beliebigkeit und Hinterherrennen die anderen stark zu machen.

 

 

 

Die Außenpolitik und ein geeintes Europa als wichtige Themen

Die als wahlentscheidend genannten Themen bei der Landtagswahl in NRW offenbaren, dass die allgemeine Verunsicherung über die aktuelle Situation in der Welt selbst bei der Wahl eines Landesparlaments eine wichtige Rolle spielen kann. Hier müssen wir noch stärker Antworten geben als bisher. Nicht nur der Kampf für ein geeintes Europa und eine weitere europäische Integration kann mit Blick auf mögliche Kurskorrekturen der SPD ein zentraler Punkt im Wahlkampf werden. Die Lage in der Welt kann und muss gerade von uns GRÜNEN eine klare Positionierung in der Außenpolitik verlangen, die mit einer glaubwürdigen und klaren Kommunikation einher gehen muss.

 

Klare Linien und Überzeugung sind notwendiger denn je

Nichts verschreckt die Wählerinnen und Wähler offenbar so stark wie die Unklarheit über das, was man am Ende tatsächlich wählt. Dabei handelt es sich mehr um eine wahrgenommene denn tatsächliche Unklarheit, sonst hätte die Lindner-FDP keinen derartigen Wahlerfolg in NRW eingefahren. Dies bedeutet einmal mehr, dass wir uns nicht bereits in Wahlkampf unkonkret und ausweichend geben dürfen, sondern eine klare Linie und Haltung aufweisen müssen.

Eine klare Linie zu haben, sich an ihr zu orientieren, heißt nicht dogmatisch oder ideologisch zu sein. Aber nur die Klarheit im Großen und Ganzen ermöglicht den für das Regieren notwendigen Pragmatismus in der Sache. Pragmatismus als Selbstzweck hingegen ist nichts weiter als eine Form hochtrabend verpackter Beliebigkeit. Diese Form der Kommunikation müssen auch unsere Führungsfiguren stärker als bisher verkörpern. Auch wenn man klare Linien hat bedeutet dies, dass wir uns in der Ansprache und der Form, wie wir unsere Botschaften vermitteln mit weniger Schaum vor dem Mund und weniger besserwisserisch artikulieren. Gerade für diese Form der Ansprache muss aber klar sein, wofür man steht, da sonst schnell der Eindruck der Beliebigkeit entsteht.

Bei der Einigung auf diese großen Linien müssen auch die regierenden Länder wieder stärker in die Pflicht genommen werden. Das teilweise vielfältige Ausspielen der Bundesebene gegen die Länder in zentralen inhaltlichen Gebieten muss ein Ende haben. Andernfalls droht hier eine weitere Verunklarung unserer aktuellen Positionen.