Archiv der Kategorie: Allgemein

Die Freiheit in der Krise

Über die Freiheit in der Krise (Text als PDF)

Die aktuelle Corona-Pandemie stellt nicht nur viele Gewissheiten unseres Zusammenlebens in Frage, sie rüttelt, durch die zu ihrer Eindämmung getroffenen Maßnahmen, auch an den normativen Grundlagen unserer Gesellschaftsordnung. Während dieser Tage verstärkt auch kontrovers über die Fortgeltung von Einschränkungen, Lockerungen und Stufenpläne diskutiert wird, offenbart sich mit einem kurzen Blick zurück, in welcher noch nie dagewesenen Schnelligkeit und mit welcher in der Bundesrepublik noch nie dagewesenen Absolutheit zur Bekämpfung der Pandemie die Freiheitsrechte aller Menschen in Deutschland eingeschränkt wurden – unabhängig ihres Wohnortes, ihrer persönlichen Situation oder ihres individuellen Infektionsrisikos.

Mit Kontaktbeschränkungen, Betretungsverboten, Betriebsuntersagungen und Ausgangsbeschränkungen wurde faktisch zum letzten im demokratischen Rechtsstaat zur Verfügung stehenden Mittel gegriffen, um das Verhalten von Bürgerinnen und Bürgern zur Bekämpfung der Pandemie einzuhegen. Eine derartige Suspendierung elementarer Freiheitsrechte hatte wohl noch vor wenigen Wochen kaum jemand für denkbar gehalten. Absolute Versammlungsverbote, umfassende Besuchsverbote bei Freunden und Verwandten und sogar (mehr oder minder löchrige) Ausgangsbeschränkungen sowie eine Vielzahl weiterer schwerer Grundrechtseingriffe waren zweifelsohne die ultima ratio gegen eine nicht unmittelbar beherrschbare und in ihrer Entwicklung nur bedingt greifbare Ausnahmelage. Je weiter diese Ausnahmesituation jedoch andauert und zunehmend Teil eines sich verändernden Alltags wird, umso mehr stellen sich mit jeden weiteren Tag der Einschränkung zunehmend Fragen nach den gesellschaftlichen Folgen und notwendigen gesellschaftlichen Entwicklungen nach der Bewältigung dieser Krise. Dies gilt vor allem in Bezug auf die Wahrung von Freiheitsrechten.

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Mit nüchternem Blick: Eine Auswertung der sächsischen Landtagswahl 2019 aus grüner Perspektive

Paula Louise Piechotta und Valentin Lippmann

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Im Vergleich zur vorherigen Wahl 2014 fand die aktuelle Landtagswahl unter gänzlich anderen Voraussetzungen statt. Die erhebliche Erosion der politischen Landschaft 2014 – 2019, mit ihrem vorläufigen Höhepunkt Bundestagswahl 2017, hatte bewiesen, dass die CDU schlagbar ist, nur leider von der falschen Seite. Die neue sächsische Staatsregierung unter dem in die Landespolitik gewechselten Ministerpräsident Michael Kretschmer war seit 2017 bemüht, hinsichtlich des eigenen Wahlergebnisses und einem weiteren Erstarken der AfD die notwendige Schadensbegrenzung zu betreiben. Gerade von Seiten der CDU führte dies vor allem in der jüngeren Vergangenheit zu einem deutlichen Auskragen in Richtung der rechten Wählerpotenziale, um vermeintlich erfolgreich Stimmen der AfD zurückholen zu können. Für uns GRÜNE in Sachsen war dies jedoch auch die Zeit eines rasanten und im Bundesvergleich überproportionalen Mitgliederwachstums – im Vergleich zu 2014 liegt die Zahl der Mitglieder in Sachsen aktuell bei ca. 2.300 und damit doppelt so hoch wie zur letzten Landtagswahl.

Im aktuellen Jahr war spätestens seit der Europawahl ein Bundestrend gegen die aktuellen sächsischen Regierungsparteien zu erkennen. Zugleich wurden die starken Ergebnis von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN im Bund zur Europawahl begleitet von einem ungekannt starken GRÜNEN Landesergebnis zur Europawahl, welches mit 10,3 % in Sachsen erstmals zweistellig war.

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Sachsens Salomon? – zur Verhandlung und Entscheidung des Sächsischen Verfassungsgerichtshofes zur Landesliste der AfD

Die Entscheidung des SächsVerfGH im Wege der einstweiligen Anordnung die Liste der AfD zur Landtagswahl bis einschließlich Listenplatz 30 einstweilen zuzulassen ist eine verfassungsrechtliche Überraschung. Daher lohnt es sich einen Blick auf die mündliche Verhandlung, die Entscheidung des SächsVerfGH und die Folgen der Entscheidung zu werfen.

 

Die mündliche Verhandlung

Der Verfassungsgerichtshof erörterte in der mündlichen Verhandlung sowohl die Fragen der Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerden und der mit ihnen verbundenen Anträge auf Erlass einer einstweiligen Anordnung, als auch im weiteren Verlauf die Begründetheit der Anträge. Letzteres war nicht von vorherein anzunehmen, da dies grundsätzlich dann obsolet gewesen wäre, wenn die Anträge bereits unzulässig wären.

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Die AfD und das Wahlrecht – ein Trauerspiel mit Sprengstoff

Der Landeswahlausschuss hat heute entschieden, die Landesliste der AfD zur Landtagswahl am 01. September nur zu Teilen zuzulassen.

Der Wahlausschuss erkannte offenbar so erhebliche Formmängel bei der Aufstellung der Liste, dass alle Bewerberinnen und Bewerber ab Listenplatz 19 nicht zugelassen wurden. Hierbei handelt es sich um jene Bewerberinnen und Bewerber, die auf dem zweiten Aufstellungsparteitag der AfD gewählt wurden.

Die Gründe für die Zurückweisung hat die AfD selbst verursacht: Offenbar war man nicht in der Lage, die Aufstellungsversammlungen so durchzuführen, dass die zweite auf der ersten aufbaute. Durchaus ist das wahlrechtlich nicht gerade ein trivialer Akt, da penibel auf die Einhaltung der durch das formstrenge Wahlrecht vorgegebenen Formalia geachtet werden muss; dennoch ist dies möglich und kann von einer bereits im Landtag vertretenen Partei erwartet werden.

Ich kann die Gründe des Landeswahlausschusses vorerst nicht bewerten, da ich weder die Unterlagen kenne, noch anwesend war und derartige wahlrechtliche Fragen hochkomplexe Materien sind. Den Hinweis, dass es schon wieder die AfD ist, die Probleme bei ihren Listenaufstellungen hatte (wie schon 2014) kann ich mir dann aber nicht verkneifen.

Deshalb nur ein etwas ausführlicherer Blick auf die möglichen Folgen der Entscheidung.

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Achtung, Umfrage-Alarm!

Einigen hat es am Samstag vielleicht die Sprache verschlagen, als sie die jüngste Sachsen-Umfrage zur Landtagswahl in der LVZ gesehen haben. Manchen ist vielleicht vor Freude oder Schreck, aufgrund des Wertes von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, der Kaffee aus der Nase gekommen. Nun schlachtet die LVZ/DNN jeden Tag die Ergebnisse der Umfrage weiter aus.

Grund genug, sich der Umfrage in einem kurzen Text mit drei Fragen zu widmen, die sich beim Lesen der Umfrage sofort ergeben – auch um Fehldeutungen vorzubeugen.

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Eine gute Portion Glück in schwierigen Zeiten

Ein sächsischer Blick auf die Bundestagswahl und GRÜNE Wahlergebnisse

Dr. Paula Louise Piechotta und Valentin Lippmann

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Die Bundestagswahl 2017 ist vorbei, und ganz Deutschland schaut auf Sachsen. Es werden holzschnittartige Portraits über den „ostdeutschen Mann“ geschrieben, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich erlangt bundesweite Bekanntheit und grüne Kolleg*innen aus glücklicheren Bundesländern fragen, ob man Sachsen nicht einfach aufgeben müsse. Für uns GRÜNE in Sachsen war es nach einem erleichternden Einstieg um 18 Uhr ein Abend, der den uns eigenen pessimistischen Realismus erneut bestätigt hat: Wir bleiben als Bundesland vorerst die politische Avantgarde des Negativen. Die spezielle sächsische Melange aus anhaltender sächsischer Sparwut, einem feudalen Staatsverständnis der regierenden CDU und der bundesdeutschen Randlage hat erneut das Vertrauen in demokratische Strukturen erodiert. Wir GRÜNEN konnten dabei unsere Position in den Städten Dresden und Leipzig im Wesentlichen verteidigen, wahrscheinlich auch Dank des Zuzugs in diese urbanen Räume. Wir sehen aber, dass wir weiterhin nach einem Zugang zu den mittleren und kleinen Städten des Landes und auch zu seinen Dörfern suchen müssen, erst Recht in Zeiten überall steigender Wahlbeteiligung.
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NRW – Was bleibt?

Die vergangene Wahl in Nordrhein-Westfalen ist wahrscheinlich die schwerste Wahlniederlage von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN in der aktuellen Dekade. Wir haben nicht nur die Regierungsverantwortung verloren und unserer prozentuales Ergebnis nahezu halbiert, sondern wir haben auch kurz vor dem Beginn des Bundestagswahlkampfes eine herbe Klatsche einstecken müssen. Gerade deshalb lohnt ein Blick auf mögliche Ursachen, unübersehbare Erkenntnisse und mögliche Konsequenzen, die zu ziehen sind. Ein einfaches „abhaken und weitermachen“ ist genauso falsch, wie der Versuch, die Schuldfrage einzig und allein in Richtung NRW abzuschieben oder aber übereilte Kurskorrekturen einzufordern. Klar ist: Für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN werden im Wahljahr 2017 die Bäume voraussichtlich nicht mehr in den Himmel wachsen – der Weg zur Bundestagswahl ist aber noch lang.

Die folgenden Überlegungen erheben keinen Anspruch auf Vollständigkeit, sie sind, wie nach dem aktuellen Aufarbeitungsstand gar nicht anders möglich, mehr Schlaglichter als eine – zwingend notwendige – tiefgehende Analyse.

 

Zwei Blicke zurück

Wahlniederlagen haben nicht selten einen mehr oder minder großen Teil ihrer Ursache in der mangelnden Aufarbeitung vorangegangener Wahlen und zwar unabhängig von der Frage, ob sie schlussendlich positiv oder negativ aus Sicht der jeweiligen Protagonisten ausgegangen sind.

 

Das Wahljahr 2013 ist bis heute nicht wirklich aufgearbeitet

Die Analyse der Wahlniederlage zur Bundestagswahl 2013 wurde faktisch erfolgreich in monokausaler Theorembildung ertränkt. Die Ursachen der Misere waren schnell (und keineswegs vollständig falsch) ausgemacht: Die GRÜNEN galten zu sehr als Verbotspartei und waren somit angreifbar im Wahlkampf gewesen. Dazu kam noch die hochgradig erklärungsbedürftige Steuerpolitik, mit der wir im Wahlkampf versuchten zu punkten.

In einer Übersprunghandlung wurde versucht sämtliche GRÜNE Politik als Freiheitssicherung zu verkaufen (mit teils grotesken Umdeutungen von tiefgreifenden Verboten zu einem Instrument der Freiheit). Viel geblieben ist von der Debatte allerding nicht: Wenige Monate nach der Bundestagswahl war das Thema durchdiskutiert, erfolgreich jede Verbotsbestrebung marketingmäßig umetikettiert und keine substanziellen Folgen der Debatte waren mehr spürbar. Es wurde damit eine Chance verpasst, sich übergrundsätzliche und wahrnehmbare Linien der Partei zu verständigen – ein Versäumnis, welches und zunehmend auf die Füße fällt. Die Art und Weise, wie die Freiheitsdebatte geführt wurde ist hierbei allerdings nur ein Beispiel für unsere begrenzte Fähigkeit klare Linien zu entwickeln. NRW – Was bleibt? weiterlesen

Man hätte es kommen sehen können – Einige Betrachtungen auf das Wahlergebnis in Mecklenburg-Vorpommern

Das Wahlergebnis in Mecklenburg Vorpommern ist für alle demokratischen Parteien ein neuerlicher Schock, wenngleich wohl kaum einer mit einem anderen Ergebnis gerechnet haben dürfte. Die AfD erreicht zum zweiten Mal ein Ergebnis von über 20 % in einem Bundesland. BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN sind erstmals seit fünf Jahren nicht mehr in allen Landtagen der Bundesrepublik vertreten. Die LINKE verliert in der Wählergunst mittlerweile so deutlich, dass ihr der Nimbus als „Volkspartei im Osten“ endgültig abhandenkommt. Einziger Lichtblick der Landtagswahl: Die NPD ist in keinem Landtag mehr vertreten. Ihren Niedergang hat nicht das Bundesverfassungsgericht sondern haben tatsächlich die Wählerinnen und Wähler besiegelt.

Die Wahl in Mecklenburg-Vorpommern war zudem wieder eine klassische bundestrend-induzierte Wahl, anders als die Wahlen am 13. März, die jeweils noch starke bundeslandspezifische Komponenten aufwiesen. Dennoch zeigen sich ähnliche gravierende Entwicklungen, wie bereits bei den Landtagswahlen in Rheinland-Pfalz und Sachsen-Anhalt, die im Folgenden einer kurzen Betrachtung unterzogen werden.

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Patriotismus – zwischen Anspruch, Wirklichkeit und Gefahr

lle zwei Jahre, anlässlich von WM oder EM, grüßt stets das Murmeltier in Form einer Patriotismusdebatte. So auch unvermeidlich dieses Jahr: Mehr oder minder gute Aktionen, interessante Artikel und vor allem kluge und weniger kluge Reaktionen zum Thema Patriotismus schaffen in Deutschland zumindest für kurze Zeit eine Art Empörungsschaulaufen über die Frage, warum man denn nicht einmal zum Auftritt der Deutschen Nationalmannschaft ordentlich stolz auf sein Land sein darf.

Der Debatte ist vor allem stets eins inhärent. Sie wiederholt sich und wird vielfach Schwarz und Weiß, vor allem aber zumeist – gewollt – undifferenziert geführt. Es folgt meine subjektive Betrachtung auf das Thema, die bewusst hinter die EM als auslösendes Ereignis der jüngsten Debatte gelegt wurde, da jetzt der bessere Zeitpunkt ist, sich dazu grundsätzliche Gedanken zu machen.

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Der Super-Wahltag in Deutschland – Blick auf die Ergebnisse und einige Schlussfolgerungen für Sachsen

Am 14.03.2016 haben die Bundesländer Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz Sachsen-Anhalt gewählt. Die Wahlergebnisse werden von vielen als politisches Erdbeben in Deutschland gewertet. Erklärungsansätze gibt es viele, nicht alle können hier dargestellt werden, vielmehr geht es um einen Anriss möglicher Erkenntnisse. Im Folgenden wird daher kurz auf einige Befunde eingegangen werden und mögliche auch für Sachsen relevante Erkenntnisse sollen extrapoliert werden.

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